5 überraschende Wahrheiten über KI, die ich beim Schreiben meines Buches gelernt habe

Jenseits des Hypes

Als das Manuskript fertig war und mein Buch Ethische KI in der Praxis online ging, saß ich mit meinem Kaffee vor dem Bildschirm und brauchte einen Moment, um zu realisieren, was da gerade passiert. Monate voller Recherchen, Interviews, Zweifel und Aha-Momente – plötzlich waren sie öffentlich. Mein Ziel war immer, einen klaren, menschlichen Kompass zu schaffen. Einen, der Dich im KI-Alltag begleitet, ohne Dich mit Buzzwords oder Schlagzeilen zu erschlagen.

Besonders prägend waren die 17 Interviews, die ich führen durfte. Menschen aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlicher Verwaltung und sogar aus der Theologie haben mir Einblicke gegeben, die weit über technische Fragen hinausgehen. Viele Erkenntnisse waren überraschend, manche haben mich regelrecht ausgebremst – im besten Sinne. Fünf davon möchte ich heute mit Dir teilen.

Martha Giannakoudi schaut sich Ihr Buch Online an

Omas Sprichwörter sind oft der beste Kompass

Ich bin mit abstrakten Begriffen wie „Transparenz“, „Menschenzentriertheit“ oder „Fairness“ konfrontiert worden – alles Konzepte, die im EU AI Act eine wichtige Rolle spielen. Doch im Alltag bleiben sie häufig unkonkret. Wie wird aus so einem Prinzip eine echte Entscheidung?

Die Antwort fand ich an einem Ort, den ich selbst unterschätzt hatte: in unserer eigenen kulturellen Weisheit. Sprichwörter wie „Ehrlich währt am längsten“ oder „Schmücke Dich nicht mit fremden Federn“ übersetzen juristische Leitlinien in etwas, das jede*r versteht. Sie verbinden Ethik mit Bauchgefühl und schaffen Klarheit, wo oft nur Theorie steht.

Diese Entdeckung hat meinen Blick fundamental verändert: Wir müssen nicht immer neu erfinden, was bereits tief in unserer Kultur verankert ist.

KI muss uns verstehen – nicht andersherum

Ein Gespräch mit Dr. Dietmar Schlößer vom TÜV NORD hat mir gezeigt, wie schnell Technologie an der Realität vorbeientwickelt werden kann. Sein Team wollte eine KI-gestützte Spracherkennung einführen, um Prüfer*innen Zeit zu sparen. Klingt simpel… bis die KI an einem einzigen Wort scheiterte: „Hupe“.

Der Grund war absurd logisch: Im offiziellen Mängelkatalog steht „Einrichtung für Schallzeichen“. Nur sagt das niemand. Erst als die KI lernte, wie Menschen wirklich sprechen, funktionierte das System.

Diese Anekdote steht für ein größeres Prinzip: KI wird erst dann hilfreich, wenn sie sich an uns anpasst. Nicht, wenn wir unsere Sprache, Gewohnheiten oder Denkweisen verbiegen müssen. Oder wie Dietmar es formuliert hat: Der Mensch bleibt am Steuer.

KI ersetzt kein Handwerk – sie veredelt es

In vielen Gesprächen ging es um die Frage, ob KI Arbeitsplätze ersetzt. Doch eine Metapher von Ingolf Teetz, Geschäftsführer der Agentur milch & zucker, hat die Diskussion für mich neu geöffnet. Er beschrieb Softwareentwicklung ohne KI als das Töpfern eines Aschenbechers: funktional, solide, aber nicht besonders kunstvoll. Mit KI wird daraus eine Vase, die feiner, komplexer, ästhetischer sein kann.

Diese Perspektive hat mich nicht mehr losgelassen. Sie nimmt nicht nur die Angst vor Verlusten, sondern öffnet den Blick auf eine neue Form von Qualität. KI nimmt uns Routine ab und gibt uns Raum für Tiefe, Kreativität und handwerkliche Meisterschaft. Sie ersetzt Können nicht, sie erweitert es.

Die besten Ideen kommen selten aus der Chefetage

Zwei der Gespräche haben meine Vorstellung von Innovation komplett aufgebrochen. Gregor Berghausen von der IHK Düsseldorf erzählte mir, dass die besten KI-Ideen in seinem Haus nicht in Strategie-Workshops entstanden. Sie kamen von den Mitarbeitenden, die täglich erleben, wo KI konkret helfen kann. Die wirklichen Impulse entstehen also dort, wo Arbeit passiert – nicht oben auf dem Organigramm.

Gleichzeitig erklärte mir Patrik Schlepütz, Geschäftsführer einer Airport-IT-Firma, warum gerade Tech-Expert*innen bei generativer KI oft zögern. Für viele, die mit komplexen Deep-Learning-Systemen arbeiten, fühlt sich ein Sprachmodell zunächst zu simpel oder zu unpräzise an. Sie bleiben lieber bei den Werkzeugen, die sie seit Jahren beherrschen und denen sie vertrauen.

Beides macht deutlich: KI-Transformation ist kein reines Tech-Projekt. Sie ist ein kultureller Prozess, der die gesamte Organisation bewegt, vom Azubi bis zur IT-Leitung.

KI gibt uns Zeit für das, was uns menschlich macht

Der vielleicht inspirierendste Gedanke kam von Dr. Khaled Bagban von der METRO AG. Er sieht KI nicht als System, das Menschen ersetzt, sondern als Werkzeug, das uns wieder näher an unsere eigentlichen Stärken bringt. Wenn die Maschine die repetitiven Aufgaben übernimmt, bleibt mehr Raum für Kreativität, Empathie, Entscheidungsstärke und echten Kontakt.

Diese Haltung fand ich in vielen Gesprächen wieder – ob in der Hotellerie bei Daniela Danz oder in der Arbeitsagentur bei Birgitta Kubsch-von Harten. KI macht uns nicht weniger menschlich, zumindest wenn man sie richtig einsetzt.

Schlussgedanke: Die eigentliche Aufgabe liegt nicht im Code

Wenn ich die fünf Wahrheiten zusammennehme, zieht sich ein klares Muster durch alles hindurch: KI ist weniger ein technisches als ein menschliches Thema. Wir ringen mit Kultur, Kommunikation, Verantwortung und Mut, nicht mit Algorithmen.

Die entscheidende Frage bleibt deshalb dieselbe, die auch mein Buch trägt:

Welches Verhalten wünschst Du Dir beim Einsatz von KI – für Dich, Dein Team und Dein Umfeld?

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