Unternehmenskultur kann man nicht anfassen. Sie ist kein Posten in der Geschäftsbilanz. Sie ist dennoch der einzig unbestechliche Faktor für Vertrauen, Einsatz und Leistung aller Beteiligten. Bei den Mitarbeiter*innen schafft sie den Raum für intrinsische Motivation und setzt damit Eigenverantwortung frei, die zu gesteigerter Kreativität und beachtlichen Ergebnissen führt. Bei den Kund*innen sorgt sie für eine hohe Identifikation mit dem Produkt und der Dienstleistung und sorgt für vermehrtes Vertrauen und Sympathie. Beste Voraussetzungen, um Fans und Unterstützer*innen für sich zu gewinnen. Für Mitarbeiter*innen als auch für Kund*innen hat das zur Folge, dass sie ganz klar die Produkte und Dienstleistungen „ihres Unternehmens“ bevorzugen, dieses uneingeschränkt weiterempfehlen und es auch in schwierigen Zeiten stützen, wenn zum Beispiel Fehler geschehen, anstehende Entwicklungen auf sich warten lassen oder nicht-beeinflussbare externe Rahmenbedingungen dem Unternehmen zu schaffen machen.
Wie fühlt sich Unternehmenskultur an?
In meinem Berufsleben war ich über 15 Jahre in vier unterschiedlichen Unternehmen der gleichen Branche (Banken & Sparkassen) fest angestellt und konnte Unternehmenskultur als emotionale Dimension bei mir persönlich erleben. Meine erste Arbeitgeberin hat mir für den Betrieb Stolz und Ehrgeiz vermittelt. Die Zweite Respekt, Aufrichtigkeit und Fleiß. Die Dritte sportliche Spielfreude und Einsatz sowie Mut und Lust zu gewinnen. Die Vierte Beständigkeit und Familiarität. Bei jeder Arbeitgeberin fand ich also Aspekte, die ich schätzte und die mich antrieben, mich einzusetzen und gute Leistung zu erbringen. Gleiche Branche, Produkte, Dienstleistungen und Region – und doch fühlte es sich bei jeder neuen Arbeitgeberin anders an, und es beeinflusste maßgeblich mein Handeln und Wirken.
Wie erkenne ich die individuelle Unternehmenskultur?
Es handelt sich um die Normen, Werte, Glaubenssätze und Symbole, die das Verhalten, die Entscheidungen und Handlungen der Mitglieder*innen des Unternehmens prägen. Angelehnt an den Kulturbegriff von Gesellschaften geht man im Unternehmen von einer Miniaturgesellschaft aus.
Wenn Ihr also herausfinden möchtet, wie es um die Unternehmenskultur in einem Unternehmen bestellt ist, dann fragt die Mitarbeiter*innen, was sie an ihrem Unternehmen schätzen und warum sie gerne dort arbeiten. Hört dann genau auf ihre Antworten. Macht einen Abgleich zwischen den unterschiedlichen Wahrnehmungen. Wie sehen es die Geschäftsführer*innen, wie die Mitarbeiter*innen? Schreibt alles auf!
Wie wird Unternehmenskultur geschaffen?
Selbstverständlich sind die Werte und Motivatoren der Gründer*innen prägend – egal wie alt das Unternehmen ist. Eine starke Unternehmenskultur vermag traditionsreichen Familienunternehmen über die Zeiten hinweg zu tragen.
Folgende Dimensionen werden primär von der Unternehmenskultur geprägt: Führungs- und Fehlerkultur, Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeiter*innen, Kundenorientierung, Priorisierung von Zielen und Ressourcen, Entscheidungsmaximen, Krisen- und Konfliktmanagement, Personalstrategie vom Recruiting bis zum Performance- und Talentmanagement.
Für die Gestaltung der Unternehmenskultur bietet es sich an, für jede dieser Dimension ein kleine Handlungsanleitung zu schreiben. Das hilft sehr, um sich der dahinterliegenden Werte bewusst zu werden. Und es ist ein Weg, um Kontinuität zu gewährleisten. Oder aber auch, um bewusst einen Unternehmenskulturwechsel anzugehen, wenn veränderte Rahmenbedingungen dies erfordern.
Ein Plädoyer für Leitbilder.
Tatsächlich gibt es berechtigte Kritik an „seelenlosen Leitbildern“, die vergilbt und unbeachtet an den Wänden von Unternehmen hängen. Leitbilder hingegen, die mit Leben gefüllt und von Vorbildern zitiert werden, können ein sicheres Erfolgsrezept sein. Allerdings nur, wenn sie als roter Faden im gesamten HR-Life-Cycle eingesetzt werden.
Dazu gehört es, unternehmensspezifische Mitarbeiter*innen-Kompetenzen zu definieren, nach denen man neue Mitarbeiter*innen rekrutiert, die Performance und Ergebnisse beurteilt und die Vereinbarungen von Zielen gestaltet.
Unternehmenskultur ist eine kollektive Leistung – man muss sie benennen, vorleben, trainieren, erhalten und weitergeben. Für Letzteres benötigt man vor allem gemeinsame Erlebnisse und Mythenbildung.
Wie machen es die Startups?
Sie stellen einen Kicker und einen Kühlschrank mit Getränken hin. Das kann man ja leicht kopieren. Oder doch nicht?
Die Definition von Startup bezieht sich entweder erstens oft auf die Existenzdauer (zum Beispiel bis 5 Jahre), zweitens auf die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells (zum Beispiel Spotify) oder drittens auf die Unternehmenskultur (zum Beispiel Google). Sollte man denn auch im Startup ein Leitbild erstellen und aufschreiben? Ja unbedingt! Denn schon im Gründerteam ist es wichtig, das Matching zu überprüfen und rechtzeitig Maßnahmen gegen Konfliktpotentiale zu ergreifen. Denn auf Platz 3 der post mortems für Startups steht „Teamdifferenzen und Personelles“.
Im rheinischen Gründerzentrum STARTPLATZ erleben und begleiten wir oft Gründer*innen und ihre Startups. Unter anderem rekrutieren wir für Startups und das obwohl sie mit etablierten Unternehmen oft nicht konkurrieren können, was Gehalt, Benefits und eine geplante Karriereleiter betreffen. So ziehen sie Top-Performer-Kandidat*innen an, weil sie eine besondere Unternehmenskultur anbieten können, in der Menschen viel lernen, sich extensiv ausprobieren, weiterentwickeln und sich selbst verwirklichen können. Im Daily Standup werden alle aufgefordert zu sagen, wie sie sich fühlen, woran sie arbeiten und wo sie Unterstützung brauchen – jeder wird also gehört. Es gibt kaum Vorgaben und Richtlinien, es zählen Mut für Versuche und Fokus auf Ergebnisse: „Fake it till you make it“, „Fail often and early“, „Need for speed“ sind drei Beispiele prominenter Glaubenssätze in der Startup-Szene.
Das Arbeiten in Startups wird letztlich auch mit ihrer besonderen Szene verknüpft, Startup-Work wird durch das abendlichen Startup-Life umfangreich ergänzt: Fuckup-Events, Hackathons, Rheinland-Pitches, Meetups, BBQ´s, After-Work-Beer, Startup Grinds usw.
All das bildet die Saat für viele Abenteuer, gemeinsame Erlebnisse und eben auch Mythenbildung.
Ein Weg zur nachhaltigen Sicherung einer Unternehmenskultur.
Was ist dabei wichtig? Wichtig sind dabei die Menschen und Vorbilder. Wichtig sind die Auswahlprozesse für Neueinstellungen, aber auch Beförderungen. Wichtig ist die Kontinuität des Handelns und des Hinterfragens. Kulturhygiene als Maßnahme, um eine gesunde Unternehmenskultur zu erhalten oder zu gestalten: Also das geeignete Umfeld schaffen, in dem Menschen gerne arbeiten, sich kontinuierlich selbst verwirklichen und Sinnstiftendes tun können.
Folgende Checkliste (inspiriert von Edgar Scheins „primären Wirkmechanismen der Unternehmenskultur“) eignet sich, um alle 6-12 Monate die Beschaffenheit der Unternehmenskultur zu hinterfragen:
- Leitbilder, Vision, Mission (Homepage, Präsentationen, Flyer)
- Kundenorientierung und Referenzen
- Ziele, Vorgaben und Ergebnisse
- Arbeits- und Lebenswelten (im Büro/im Home-Office)
- Auftreten und Verhalten der Mitarbeiter*innen
- Zusammenstellung der Teams nach Kompetenzen
- Gemeinsame Erlebnisse und Mythenbildung
Warum Aufwand betreiben, um eine Unternehmenskultur zu entwickeln?
Ständig lese ich als Argumente dafür, die Leistungsperformance zu erhöhen, Opportunitätskosten zu senken und die Unternehmensziele zu erreichen. Solches trifft sicher in gewisser Weise auch zu, aber überzeugt mich nicht wirklich. In meinen Gesprächen mit Gründer*innen frage ich sie, was sie denn tatsächlich motiviert, sich tagtäglich für ihr Unternehmen einzusetzen. Oft bekomme ich als Antwort, dass sie es regelrecht genießen, wenn ihre Ideen Realität werden und dass sie nun fast ausschließlich mit Menschen zusammenarbeiten, mit denen sich die Zusammenarbeit richtig gut anfühlt.
Damit schließe ich an den einfachen Gedanken an, dass uns als sozialen Wesen Zugehörigkeiten zu Gruppen enorm wichtig sind. Und dazu zählen eben auch Unternehmen, für die wir gerne arbeiten oder deren Produkte bzw. Dienstleistungen uns begeistern. Ohne überzeugende Unternehmenskultur keine überzeugten Fans.